Geschichten aus dem 13. Stock

Berliner Künstler starten Videoprojekt in der Grohner Düne

Von unserer Redakteurin Patricia Brandt

Grohn. Spiegelt sich in den Überwachungskameras der Grohner Düne die Gesellschaft von morgen? Und wie weit kann man heute schon vom 13. Stock aus in die Zukunft sehen? Der Videokünstler Florian Thalhofer und der Schriftsteller und Kulturjournalist Kolja Mensing aus Berlin wollen ab kommender Woche mit Kamera und Mikrofon Bilder und Geschichten aus der Grohner Düne sammeln.

Den Anstoß für den geplanten Dokumentarfilm gab die Projektreihe "Du - Die Stadt" der Arbeitnehmerkammer Bremen. Wie der Kultur-Referent der Kammer, Thomas Frey, berichtet, sollen eineinhalb Jahre lang zu diesem Schwerpunktthema verschiedene Kunst- und Theaterprojekte in ganz Bremen veranstaltet werden. Dazu zähle beispielsweise auch das Vorhaben des Fotografen Andreas Bohnhof, die Bewohner der Grohner Düne zu porträtieren. Insgesamt lässt sich die Arbeitnehmerkammer die Projekte bis zu 25 000 Euro kosten.

"Wir interessieren uns für das Leben am Rand, am Stadtrand, am Rand der Gesellschaft, am Rand der Aufmerksamkeit", begründen Thalhofer und Mensing ihre Teilnahme. Die beiden Kulturschaffenden, Jahrgang 1971 und 1972, stammen eigenen Worten nach aus Neubausiedlungen zweier Kleinstädte und leben heute in Altbau und modernem Mietshaus mitten in der Berliner Stadtidylle. Bei ihrer Arbeit in Bremen wollten sie aber niemanden vorführen, auch keine Armutsreportage abliefern, betont Mensing. "Es ist für uns ein Eintauchen in eine andere Welt. Es geht darum, zu gucken, wie Menschen leben."

Sein Eindruck von einem vor-ab-Besuch in Grohn: "Alle Leute, die da wohnen, sind recht stolz auf ihre Grohner Düne." Und weiter: "Ich glaube, dass die Leute ein ausgeprägtes Heimatgefühl haben - auch wenn sie in Hochhäusern leben." Bei ihrem ersten Besuch haben die beiden Künstler auch gleich die Namen derjenigen bekommen, die seit dem Bau des Komplexes in den Siebzigern in einer der Wohnungen leben. Mensing ist deshalb zuversichtlich, dass wenigstens ein Dutzend der 1500 Hochhausbewohner Interviews geben werden. Zeit ist genug. Mensing und Thalhofer wollen den gesamten August in der Düne verbringen.

Die Interviews sollen später um eigene Eindrücke und Archivmaterial ergänzt werden, planen die Wahl-Berliner. Entstehen soll ein 45-minütiger interaktiver Dokumentarfilm. "Es wird um hohe Häuser und kleine Welten gehen, um schöner Wohnen und sicher Leben, um Angst, Architektur und Abenteuer", schreiben Mensing und Thalhofer in einer Presseankündigung. Denn neben den Bewohnern interessiert sie auch die wechselvolle Geschichte der Groner Düne - vom Vorzeigeobjekt der Neuen Heimat bis zum vermeintlichen Abrissprojekt. Die Wahl-Berliner wollen dabei auch von den Erfolgen der Bausanierung und der 24-Stunden-Videoüberwachung berichten.

Zu sehen sein sollen die Aufnahmen später im Internet. Mensing hofft auch auf eine Präsentation in der Grohner Düne. Eventuell mit einer Ausstellung der Bilder des Fotografen, der die Bewohner porträtiert.

(Weser Kurier, 28. Juli 2004)